Stand: 12. Juni 2024







Foto: Sabitha Saul







Kamera und Fotos: Victor Lurie

Von Wein und Schläuchen

Uri Bülbül im Vollmond-Talk im Juni über die Philosophie des offenen Kunstwerks

Und die bisherigen Folgen des Vollmond-Talks auf YOUTUBE Play List

Was lange währt, wird endlich gut, oder: was lange gärt, wird endlich Wut! Uri Bülbül im Mono-Talk unter dem Sichelmond zur Zusammenfassung der Vollmond-Philosophie von Kynosophie bis «Netzwerke als Kunstwerke» - Einzelperformationen und die Idee eines organischen Ganzen.

Hier das Skript, was Uri Bülbül auf dem Schoß vor sich hat und wovon er im Vortrag abweicht:

Noch einmal Gedankensammeln, die losen Fäden verknüpfen, ein größeres Ganzes sichtbar machen - das ist heute das Ziel des Talks und weil das einer gewissen Konzentration bedarf und die Konzentration der Ruhe, bin ich mal wieder, also nicht zum ersten Mal, als philosophierendes Subjekt allein vor euch - ich nenne es den Mono-Talk und nicht Monolog.

Was ist der Unterschied zwischen Mono-Talk und Monolog?

Der Monolog folgt einer einzelnen Logik, ist eine einzelne Kette und Verkettung von Argumenten.

Das Selbstgespräch, dafür habe ich das Wort Mono-Talk geschöpft, ist mehrstimmig, präsentiert nicht eine einzelne Kette, sondern verschiedene Fäden, Stimmen und Argumentationslinien. Das Ich im Selbstgespräch ist nicht in einem Standpunkt isoliert, sondern fungiert als ein Resonanzkörper verschiedener Denkanstöße und Anregungen.

Keine der Talks, die bisher stattgefunden haben, ob mit Sandra Oestmann, Marlene Paul, Birgitt Schuster, Andrea Schubert, Haci-Halil Uslucan, Andreas Heuser, Jens Pollheide, Funda CInar, Fleur Vogel, Oliver Tintelott, Andreas Griese, Fiona Fabulous ist sang- und klanglos verschwunden. Sie alle klingen in mir nach, haben mich berührt, haben mich in Schwingungen versetzt und genauso wird es auch weitergehen - die Mono-Talks sind Momente, die auch notwendig sind, diesen Schwingungen nachzuhorchen.

Nichts war zufällig, auch wenn vieles nicht geplant und von vornherein beabsichtigt war, das gehört essentiell zu einer offenen Philosophie, zu einem offenen Kunstwerk dazu. Es ist eben kein Monolog, es folgt nicht einer einzigen Linie, sondern vernetzt sich in Vielfalt, ja, es verzettelt sich auch mal, das gehört unbedingt dazu und ist kein Fehler oder Mangel des Systems, sondern ein Belebungs- und Motivationsmoment.

Es ist auch kein Zufall im Sinne eines Unfalls, eines chaotischen und destruktiven Hinzutretens eines unerwünschten Ereignisses, was alles durcheinander bringt oder zerstört, dass der Vollmond-Talk im Chancenraum und dessen Chancen-Café begann.

Wir können im Sinne eines offenen Kunstwerks den Zufall als Zu-Fall verstehen, als eine Gabe, ein Geschenk, was zu dem hinzutritt, was wir uns vorgenommen haben - da fällt uns etwas als Bereicherung zu.

Das ist eine Philosophie, die sich komplett von der Systematik der technokratischen Moderne, ihrer Mechanik, ihres Zahnräderwerks löst. Der Mensch kann als Subjekt wieder freie Luft auf freiem Feld, im Wald, auf Wiesen, am Strand, im Großstadtdschungel atmen, einmal tief Luft holen und zu sich selbst finden. Raus aus der Hektik des funktionalistischen Getriebenseins!

Das ist die Grundmotivation der Philosophie des offenen Kunstwerks. Raus aus dem Räderwerk der Funktionalitäten, einmal tief Luft holen und spüren, was jeder Mensch selbst ist, ob Männlein, oder Weiblein oder mal Männlein, mal Weiblein. Das ist jedem Menschen selbst überlassen, wenn der Mensch nur mal bei sich selbst sein darf, ohne dies oder jenes "zu müssen" im Räderwerk, in den Apparaten und Funktionen und Institutionen.

Es war Birgitt Schuster, die mich auf das Gedicht von Konstantin Wecker brachte: Dem Mond entgegen. Ja, mal alles fallen lassen, die Identität, das Bankkonto, die Adresse, die beruflichen und sozialen Zwänge aufgeben, weglassen, von sich abschütteln und sich auf eine eigene Reise machen. Die Sehnsucht und die Worte nach Freiheit habe ich mir nicht ausgedacht und schon gar nicht erfunden. Ich versuche gemeinsam mit vielen eine philosophische Verinnerlichung und Fassung dieser Freiheit zu finden und arbeite deshalb liebend gerne und mit Leidenschaft an der Ästhetik des Offenen Kunstwerks, wir können auch sagen: an der Poetik des offenen Kunstwerks.

Wir müssen uns nicht an Begrifflichkeiten aufhängen. Wir sollten einfach spüren, dass sie uns helfen können oder uns behindern. Bäume machen einen Wald, wenn man mit einem Auto gegen einen Baum rast, ist das ein Unfall und spricht nicht gegen Wald, Bäume und auch nicht gegen Autofahrt.

So können Begriffe schön sein und auch zur Gefahr werden.

Entwickeln wir gemeinsam eine schöne Gelassenheit im Umgang mit ihnen und atmen tief durch in der Atmosphäre, die das offene Kunstwerk schafft.

Das ist mein Appell, mein Wunsch, eine mich motivierende Idee zu den Vollmond-Talks.

Wir können auch viele Binäroppositionen aufmachen, Dichotomien bilden und uns dialektisch zwischen den Polen hin und her bewegen, solange wir uns bewegen und nicht verfangen wie in einem Brombeergebüsch. Denn die Dornen sind schmerzhaft und verletzend - so verletzend wie eben der Rationalismus und der Positivismus der Wissenschaft, Technokratie und Politik ist, wenn er den Menschen in seinem Räderwerk gefangen nimmt: ich muss hier immer an das Bild von Charlie Chaplin denken, wie er in "Modern Times" am Fließband arbeitend ins Räderwerk gerät. Es ist ein paradigmatischer Film über die Moderne gegen die sich bei aller Anfeindung, Diffamierung und Verleumdung sich die Postmoderne abzusetzen versucht, wozu ich auch sehr gerne Paul Feyerabend als anarchistischen Denker mit seinen Werken "Wider den Methodenzwang" und "Wissenschaft als Kunst" aber auch mit seinen Interviews und Gesprächen, die auf Youtube zu finden sind, zähle.

Ich möchte euch an dieser Stelle etwas zu der beginnenden Moderne, zum Räderwerk und zur Melancholie etwas erzählen. Hier werde ich kein Manuskript verwenden.

Und wenn Zeit bleibt, komme ich gerne zu meinen Selbstbetrachtungen...

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